Vom Scheitern zum Erfolg: Praxisnahe Strategien für die digitale Transformation
Das Großartige an meinem Beruf als Berater ist, dass ich in den vergangenen Jahren immer wieder die Möglichkeit hatte, Einblicke in verschiedenste Unternehmen zu erhalten. Im Mittelpunkt standen dabei immer Gespräche mit Führungskräften und Entscheidern, die Prozesse und Produkte in ihrem Unternehmen besser machen wollten.
Dabei erlebte ich immer wieder Situationen wie die Folgende:
Ein Erfahrungsbericht aus der Praxis
Bei einem Besuch bei einem mittelständischen stark technologiegetriebenen Unternehmen hatte ich die Gelegenheit, mit dem Geschäftsführer zu sprechen.
Er hatte vor wenigen Jahren die Leitung des Unternehmens übernommen, mit dem Ziel, es durch eine umfassende digitale Transformation zu führen. Er sprach von der Anfangsbegeisterung und wie er das ganze Unternehmen mit seiner Vision ansteckte. Es wurden moderne IT-Systeme eingeführt, Prozesse digitalisiert und das Geschäftsmodell sollte grundlegend verändert werden, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen.
Die ersten Monate waren geprägt von einem hohen Maß an Energie und Fortschritt. Doch dann begannen die Herausforderungen. Er erzählte mir, dass er die Komplexität der Transformation unterschätzt hatte. Es gab erhebliche Widerstände innerhalb der Belegschaft gegen die Veränderungen. Viele langjährige Mitarbeiter fühlten sich übergangen und nicht ausreichend in den Prozess einbezogen. Die Kommunikation, so gab er zu, war nicht immer klar und umfassend.
Zusätzlich traten technische Schwierigkeiten auf. Die neuen Systeme waren nicht vollständig kompatibel mit der bestehenden IT-Infrastruktur, was zu erheblichen Betriebsstörungen führte. Die Kosten für die Transformation stiegen weit über das ursprünglich geplante Budget hinaus, während der erwartete Nutzen ausblieb.
Am schwerwiegendsten war jedoch, dass die Kundenbeziehungen unter der Transformation litten. Durch die Fokussierung auf interne Prozesse und Technologien vernachlässigte das Management die Bedürfnisse und das Feedback seiner Kunden. Einige langjährige Geschäftsbeziehungen brachen ab, da die Kunden sich nicht mehr ausreichend wertgeschätzt fühlten.
Er gestand, dass er in seinem Bestreben, das Unternehmen zu modernisieren, zu schnell vorgehen wollte und dabei wesentliche Aspekte wie Mitarbeiterbindung, Kundenzufriedenheit und die schrittweise Integration neuer Technologien vernachlässigt hatte. Die Transformation, die als Leuchtturmprojekt gedacht war, endete in einem deutlichen Rückschlag für das Unternehmen.
In der Retrospektive erkannte er, dass es besser gewesen wäre, kleinere, inkrementelle Veränderungen vorzunehmen und stets den Menschen – sowohl Mitarbeiter als auch Kunden – in den Mittelpunkt aller Entscheidungen zu stellen. Die Geschichte des Geschäftsführers endete mit einer gewissen Demut und der Einsicht, dass Scheitern auch eine Gelegenheit zum Lernen und Wachsen ist. Er war fest entschlossen, aus den Fehlern zu lernen und das Unternehmen mit neuen, realistischeren Ansätzen und Zielen in die Zukunft zu führen.
Kommt Ihnen die Situation bekannt vor? Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich sie sowohl als Mitarbeitender als auch als Entscheider in mehreren Organisationen (an Universität, Unternehmen und in der Kammerwelt) erlebt habe. Also, zumindest den Teil mit dem Scheitern. Leider habe ich in den wenigsten Organisationen erlebt, dass die Führungskräfte den Mut hatten sich einzugestehen, dass die Transformation gescheitert war und sie durch ihr Verhalten maßgeblich dazu beigetragen hatten. Obendrein gab es nur Wenige, die den Mut hatten, nach so einer Erfahrung, das Ganze nochmal zu probieren.
Woran scheitern Transformationen? - Auf Ursachenforschung
Die entscheidende Frage ist, was hätte anders laufen müssen, damit die Transformation in diesem Unternehmen erfolgreich geworden wäre.
Warum der erste Impuls nicht immer der Richtige ist
„Nicht lang labern, sondern einfach mal loslegen“. Vermutlich haben sie das auch schon so oder so ähnlich in ihrem Berufsalltag gehört. Selbstverständlich ist Euphorie etwas Positives und jeder von uns hat den Impuls, sofort loslegen zu wollen und endlich Dinge umzusetzen, die wir schon lange vor uns hinschieben. Doch oftmals liegt genau hier das Problem. Wenn wir in die Umsetzung gehen, ohne zu wissen, wo genau eigentlich die Ursache liegt, laufen wir Gefahr, nur an der Symptomatik herumzukratzen anstatt das eigentliche Problem zu lösen.
Ein typisches Beispiel ist die Digitalisierung eines analogen Prozesses. Ich kann beispielsweise statt eines Call-Centers mit menschlichen Supportern eine KI-Assistenz nutzen, die die Kunden supportet. Wenn es allerdings vorher schon Thema war, dass die Kunden unzufrieden waren mit der Supportleistung, wird es durch die Nutzung des KI-Roboters nicht besser. Vorher muss erst verstanden werden, weshalb die Kunden mit dem Support nicht zufrieden waren, wenn das Ziel ist, zufriedenere Kunden zu haben.
„Dafür habe ich aber keine Zeit, ich kann mich doch nicht um alles kümmern“. Das wiederum ist ein typischer Satz, den ich sehr oft von Entscheidern gehört habe. Natürlich, die Komplexität der Geschäftsfeld hat in den letzten Jahren in gleichem Maße zugenommen, wie deren Unsicherheit. Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Unternehmenskultur, Fachkräftemangel, neue Technologien und viele weitere Themen hängen in einem komplexen Wechselspiel miteinander zusammen. Und ständige Veränderungen gibt es in all diesen Bereichen. Zu versuchen, dass alles eingeständig unter einen Hut zu kriegen, wird den Wenigsten gelingen.
Im nächsten Teil dieser Serie werden wir untersuchen, welche alternativen Strategien Führungskräfte anwenden können, um den Teufelskreis zu durchbrechen und ihre Unternehmen zukunftsfähig zu gestalten.
Autor:
Dr. Sven Saage
Leiter Vertrieb
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